Sexualtherapie
Der Sexualität wird von den meisten Menschen eine große Bedeutung für die allgemeine Lebenszufriedenheit beigemessen. Eine erfüllte Sexualität mit dem Partner vermittelt Gefühle der Geborgenheit, der Ekstase und des Glücks. Den großen Erwartungen stehen auf der anderen Seite manchmal aber auch große Ängste gegenüber: die Angst vor Ablehnung, vor Kontrollverlust oder vor Langeweile.
Sexualität ist immer auf einen Partner gerichtet, sei er real oder nur vorgestellt. Sie entwickelt sich in der Auseinandersetzung mit den Bedürfnissen und Reaktionen der ersten zufälligen Sexualpartner. Nicht selten kommt es dabei zu Verletzungen und Unsicherheiten, die eine Weiterentwicklung des sexuellen Erfahrungsbereiches beschränken. Die einseitige Darstellung der Sexualität in unseren Medien als leicht zu konsumierendes Produkt fördert die Verunsicherung und verhindert einen offenen Dialog betroffener Paare.
Im Verlauf von Paarberatungen kommt irgendwann einmal das Gespräch auch auf den Bereich der Sexualität. Dabei lässt sich feststellen, dass die subjektiv erlebte Zufriedenheit in diesem Bereich nicht unbedingt mit der allgemeinen Zufriedenheit in der Partnerschaft übereinstimmt. Es gibt sowohl Paare in ernstzunehmenden Krisen, die Ihre Sexualität zufriedenstellend erleben und als Kraftquelle nutzen können, als auch Paare, bei denen sich ungelöste Probleme der Partnerschaft empfindlich auf die sexuelle Beziehung auswirken. Sexualität ist jedoch nicht nur aus der Partnerschaft heraus zu verstehen, sondern stellt sich auch als das Ergebnis einer individuellen Lerngeschichte dar, die immer wieder einem partnerschaftlichen Abstimmungsprozess ausgesetzt werden muss, damit sie sich weiterentwickeln kann.
Eine weitere Beobachtung ist die, dass sexuelle Probleme leicht eine Eigendynamik entfalten können. Das heißt, dass selbst wenn der Auslöser oder die Ursache einer Störung bereits verschwunden ist (z.B. eine Krise, eine Verunsicherung oder ein sexuelles Trauma), die Störung weiterbestehen und die sexuelle Beziehung gefährden kann. Die Verunsicherung eines Partners kann sich leicht im anderen Partner fortsetzen und dann wieder problemverstärkend zurückwirken. Ein solcher Teufelskreis wird noch weiter dadurch stabilisiert, dass viele Paare noch keine Sprache zum Ausdruck ihres sexuellen Begehrens gefunden haben, und daher oft nur indirekt und mehrdeutig kommunizieren. Manche Paare schweigen gar und vermeiden aus Scham oder Angst vor Konflikten, sexuelle Bedürfnisse anzusprechen.
Das unterschiedliche subjektive Erleben von Sexualität und Zärtlichkeit durch Menschen mit unterschiedlicher Lerngeschichte (und in der Regel unterschiedlichen Geschlechts) erfordert aber gerade die angstfreie und offene Kommunikation, die auf gegenseitiger Wertschätzung und Anerkennung dieser Unterschiede aufbaut. Daher ist in vielen Fällen die Bearbeitung einer Störung im Paargespräch sinnvoll. Der Partner kann dabei seinen Anteil an der Aufrechterhaltung der Störung besser erkennen und dieses Wissen für die zukünftige Gestaltung der sexuellen Beziehung nutzen. Unbewusste Schuldgefühle können abgebaut werden, so dass es zu einer selbstbewussten und angemessenen Unterstützung des Partners kommen kann. Auch wenn ein eher individuelles Problem zu bestehen scheint, so betreffen die erzielten Veränderungen doch immer auch beide Partner, so dass beiden Gelegenheit gegeben werden sollte, daran Anteil zu nehmen.
Die Beteiligung des Partners bezieht sich in der Regel sowohl auf die Sitzungen als auch auf Übungen, die zu Hause im Rahmen der Therapie durchgeführt werden. Manchmal können auch einzelne Sitzungen ohne Partner produktiv sein, soweit sie der Vorbereitung der Paargespräche dienen.
Oft steht jedoch kein Partner zur Verfügung, oder man möchte erst einmal allein die sexuellen Probleme klären, bevor der Partner vielleicht später einmal in die Gespräche einbezogen wird.
Da sich manche Sexualstörungen auch auf dem Hintergrund somatischer Erkrankungen entwickeln können, ist in einigen Fällen eine Abklärung bei einem entsprechenden Facharzt (z.B. Urologe oder Frauenarzt) sinnvoll.
Eine Bearbeitung sexueller Störungen allein oder zusammen mit dem Partner haben sich vor allem bei folgenden Problemen bewährt:
- Unterschiedliche Bedürfnisse bei der Gestaltung erotischer Kontakte
- Verlust oder Verminderung der sexuellen Lust bei einem Partner
- Störungen bei der Aufrechterhaltung der Erregung während des Verkehrs
- Verzögerter, fehlender oder zu früher Orgasmus
- Beeinträchtigung der Sexualität durch Konflikte im Alltag