Paar- und Sexualtherapeutische Praxis

DYADE - Praxis für Paare

Dipl.-Psych. Manfred Soeder | Dipl.-Psych. Dana Prentki

Paarberatung Sexualberatung

Freie Termine

Ohne rosarote Brille sieht man besser

 

Von Viola Losemann in den Stuttgarter Nachrichten am 21.01.2008

 

Nach der Verliebtheitsphase fallen viele Paare aus allen Wolken – Konflikte bieten Chancen für inneres Wachstum

Verliebt zu sein ist eines der schönsten Gefühle überhaupt – da sind sich wohl alle einig. Alles fühlt sich plötzlich leicht an, es kribbelt im Bauch, man schwebt auf Wolke Sieben. „Wenn es zwischen zwei Menschen funkt, haben sich zwei Lebensgeschichten mit allen Grundeinstellungen und Empfindungen blitzartig für einen möglichen gemeinsamen Weg abgestimmt und völlig neu kombiniert“, beschreibt Michael Lukas Moeller in seinem Buch „Wie die Liebe anfängt“ (RowohltVerlag, Reinbeck. 8,90 Euro). Dass dieses Gefühl zeitlich begrenzt ist, hat wohl fast jeder schon einmal erfahren. Für den Verlauf der Beziehung ist diese Hochphase jedoch von entscheidender Bedeutung, denn sie weckt Bilder, die jeder seit frühester Kindheit gespeichert hat, und wird in Konfliktphasen zu einer Art Klebstoff, der das Paar verbindet. Andererseits ist zu beobachten, dass mit dem Ende der Verliebtheitsphase die Bereitschaft nachlässt, sich den Herausforderungen einer Beziehung zu stellen.

Bei Veränderungen zeigt sich, ob die Beziehung tragfähig ist

„Spätestens nach zwei Jahren haben wir die rosarote Brille abgelegt“, meint Professor Manfred Hassebrauck, Mitautor des Buchs „Warum wir aufeinander fliegen“. „Wir fallen dann buchstäblich aus den Wolken. Meistens dann, wenn wir erkennen, dass wir uns ein völlig anderes Bild vom Gegenüber gemacht haben. Es gibt in der psychologischen Forschung ein Phänomen, das sehr gut untersucht ist. Wenn wir gut gelaunt sind – und das sind wir in besonderem Maße in der Verliebtheitsphase – verarbeiten wir Informationen weniger gründlich als gewöhnlich. Das zeigt sich unter anderem dadurch, dass wir in diesem Zeitraum gerne mal alle Fünfe grade sein lassen.“ In einer Illusion der Unverwundbarkeit würden wir sprichwörtlich in Fehlern Tugenden sehen und sozusagen „die Realität verkehren“. „Das Verliebtsein als solches reicht nicht aus und ist eine wackelige Basis für eine gemeinsame Zukunft“, betont Hassebrauck, der an der Universität Wuppertal Sozialpsychologie lehrt. Spätestens dann, wenn mit der Beziehung gravierende Veränderungen wie Umzug oder Heirat einhergehen, sei zu klären, „ob die Voraussetzungen für eine Partnerschaft so sind, wie wir uns das wünschen“.

Die Einstellung zum Leben und Werte spielten dabei eine zentrale Rolle. „Wir sprechen über alles Mögliche: über unsere Hobbys, den Urlaub, was wir gerne essen, aber selten über unsere Idealvorstellung einer Partnerschaft.“ Diplompsychologe Manfred Söder kommt bei seiner Arbeit zu ähnlichen Erkenntnissen. Der Mitbegründer des Netzwerks Paartherapie ist Verfechter von Gesprächsritualen, die man in regelmäßigen Abständen etablieren sollte. „Passiert das nicht und die Partner sprechen erst dann miteinander, wenn die Probleme schon da sind, fallen die Männer oft ins Schweigen“, beobachtet er immer wieder. Frauen seien in Sachen Kommunikation eher offensiv. „Indem wir miteinander reden, tauschen wir unsere Gefühle aus und schaffen eine Basis, die es uns ermöglicht, entstehende Schwierigkeiten gemeinsam zu regulieren. Darüber hinaus regen wir in der Beratung immer wieder an, Probleme in einem größeren Sinnzusammenhang zu sehen, denn Partnerschaft heißt auch, sich miteinander weiterzuentwickeln.“

 Wenn die Glückshormone schwinden, wiegt der Rucksack an Erfahrungen aus vorherigen Partnerschaften jedoch oft schwerer als der Wunsch, sich erneut auf eine Beziehung einzulassen. Dieses Risiko wollen viele aus Angst, wieder enttäuscht oder verletzt zu werden, nicht mehr eingehen. „Konfliktstrategien, die in vorausgegangenen Beziehungen entwickelt und dort nicht gelöst wurden, nimmt man in der Regel in die nächste Partnerschaft mit“, erklärt Friedhelm Schwiderski, Vorsitzender des Arbeitskreises Paar- und Psychotherapie. Auftretende Spannungen sind deshalb noch kein Hinweis, dass beide nicht zusammenpassen. Die Flinte dann ins Korn zu werfen könnte auch heißen, eine einmalige Chance zu vertun. „Es kann nämlich sein, dass gerade der Streitpunkt oder die Eigenschaft, die mir am anderen nicht gefällt, zur Ergänzung im Sinne von Wachstum für mich werden könnte.“ Wir leben heute in einer Konsumgesellschaft, in der man darauf trainiert ist, Produkte nach hohen Qualitätsmaßstäben auszuwählen, sagt Schwiderski. „Das überträgt sich auch auf die Auswahl unserer Partner. Grundsätzlich ist dagegen nichts einzuwenden, vorausgesetzt, wir züchten daraus keine überhöhten Erwartungen, die uns in der Partnerschaft im Weg stehen.“ Konflikte und Spannungen, die nach der Verliebtheitsphase auftreten, sieht Schwiderski daher vor allem als eine Möglichkeit, die bisher unbewältigten Lebensthemen gemeinsam zu lösen.

Viola Losemann

 

Artikel als PDF-Datei